Im Frühjahr 2013 begleitete ich einen Missionar nach Indien. Doch schon bei der Ankunft in Chenai begegneten mir Menschen, deren Gewohnheiten mir völlig fremd erschienen. Beginnen möchte ich mit einem Bericht über ein Kinderheim nahe der Stadt Putur im Distrikt Tamil Nadu. Die Sitten in diesem Heim erschienen mir als ehemaligem Lehrer noch am vertrautesten. Doch Überraschungen gab es auch dort.

Inhaltsverzeichnis

Die Irreführung

Vor der Abreise aus Deutschland wurde mir aufs Herz gelegt, während meines Aufenthaltes in Indien auch zu einem Kinderheim nach Nagalapuram nahe Puttur im Staate Andra Pradesh zu fahren. Doch wie sollte ich dort hingelangen, ja wie sollte ich überhaupt Kontakt aufnehmen mit Julius Karunakaran, dem Leiter des Kinderheimes? Ich besaß kein Handy mit einer Sim-Karte, die in Indien Gültigkeit besaß. So ein Handy ist aber nötig, um telefonischen Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen zu können. Ich ging in eine Straße, an der Schulen lagen und in der daher Telefone an den Hauswänden installiert wurden.Leider sind die für Ferngespräche nicht zu gebrauchen. Das sagte ich auch einem Tamilen. Der lieh mir daraufhin sein Handy für ein kurzes Telefonat nach Andrash Pradesh zu Julius. Das war schon ein Wunder, denn normalerweise kann man das hier von einem Fremden nicht erwarten, da hier oft gestohlen wird. Mit dem Handy konnte ich in einen kleinen Hauseingang gehen, in dem der Straßenlärm verhallte. Von dort aus rief ich Julius an. Wir machten Airport-Railway-Station als Treffpunkt und 11 Uhr als Zeit aus.

Leider teilte ich diese Angaben einem Tamilen mit, der dieses Treffen offenbar verhindern wollte. Dieser Mann brachte mich zum Bahnhof von Kanchipuram, arrangierte alles am Schalter für mich, natürlich in Tamil, so dass ich nichts verstehen konnte. Auch löste er für mich die Fahrkarte. Auf dieser stand aber nicht der Airport-Railway-Station, sondern Meenam Bakkam, ein Bahnhof, der etwa 20km vom Airport entfernt liegt. Dieses sei der nächste Bahnhof zum Airport von Kanchipuram aus gesehen, meinte der Tamile. Die gesamte Fahrt kostet nicht mehr als 15 Rs, welches etwa 40 Cent in Europäischer Währung entspricht. Da ich mit einem so niedrigen Preis nicht gerechnet hatte, schob ich einen 100Rs-Schein über den Tresen. „Haben sie es nicht kleiner“, fragte der Schaffner auf Englisch. Ich legte einen 50 Rs-Schein nach, ohne den Hunderter zurück zu nehmen. Das war ein Fehler, denn den sah ich nie wieder. Der Tamile hatte für mich den Zug ausgesucht, der gegen 7.15 abfährt. Das war ein Arbeiterzug, in dem Männer und Frauen getrennt reisen mussten. Und das hat seinen Grund: Die Abteile besitzen keine Toilette. Wenn z.B. ein Mann sein kleines Geschäft erledigen will, dann ist er gezwungen, ein kleines Loch im Boden des Abteils zu benutzen, wie es im Bild zu sehen ist.

Unterwegs sprach ich einen jungen Tamilen an und fragte ihn, wie ich nach Meenam Bakkam komme. „Sie müssen demnächst umsteigen“, meinte er. Ein Buddhistischer Mönch erklärte sich bereit, mich zu begleiten, da er auch nach Minam Bakkam wolle. Wir fuhren zusammen und stiegen auch gemeinsam am Zielort aus! Gesprächig war mein Begleiter jedoch nicht, aber immerhin hilfsbereit.
Auf dem Bahnsteig kaufte ich eine kleine Flasche Cola, für 25 Rs. Sie war also erheblich teurer als die 2,5 h lange Zugfahrt. Später sah ich das Angebotsschild des Ladens.
Das Teuerste, was dort angeboten wurde, kostete 22 Rs. Also war ich schon wieder über den Tisch gezogen worden! Nun benötigte ich dringend eine Flasche Mineralwasser. „Mal sehen, was der Boy haben will“, dachte ich. „Fifty“, forderte er. Auf der Flasche stand jedoch „15 Rs“. Als ich ihn darauf hinwies, zeigte er keinerlei Reaktion. Offenbar gehört das hier zum Geschäft, dass man Ausländern Sonderpreise abverlangt. Ich bezahlte natürlich nur „Fifteen“. Die Leute hier meinen offenbar: „Weiße sind so reich, dass wir ihnen mit ruhigem Gewissen jegliche Ware teurer verkaufen können, als wir es bei den Einheimischen tun“. Diese Menschen wissen offenbar nicht, wie teuer das Leben in unseren Ländern ist.
Die Sonne stand im Zenit. Mittlerweile waren die Temperaturen auf über 40°C gestiegen. Gegen 9 Uhr war ich hier angekommen und jetzt war es schon kurz nach 12 und ich hatte meinen Freund immer noch nicht getroffen. Ich war sehr niedergeschlagen!!! Die Umgebung des Bahnhofs schien sehr ländlich zu sein. Vom Airport war nichts zu sehen. Enttäuscht hielt ich meine Papptafel in der Hand, auf der mein Name geschrieben stand. Julius war bisher nicht erschienen. Da war etwas ganz schief gelaufen! Ich ging zu der Bahnsteigsaufsicht und fragte, ob ich meinen Freund Julius einmal anrufen dürfe, mit dem ich hier verabredet sei. Es wurde mir nicht erlaubt. Mit einem Handy wäre alles problemlos gewesen, aber so? Da kam eine Tamilin auf mich zu und stellte mir im besten Englisch die entscheidenden Fragen:
„Wen wollen Sie treffen?“
„Wo wollen Sie ihren Freund treffen?“
Dann zeigte sie auf das gegenüberliegende Gleis 2 und sagte: „Nehmen sie den Zug, der von diesem Bahnsteig fährt und fahren sie zurück zu TRISULAM. Das ist das „Airport Railway Station“!“ Dann kam auch schon der besagte Zug. In etwa 10 Minuten war ich am vereinbarten Bahnhof. Dort traf ich Julius seine zwei Begleiter, die mich zu ihm führten. Gott sei gepriesen! Die Aufnahme war herzlich, obwohl die drei Männer schon 1,5 Std auf michgewartet hatten. Die Geduld dieser Christen und die Klugheit jener Frau, welche mir der Herr als Wegweiser gesandt hatte, hatten mich ans Ziel gebracht. Ansonsten hätte ich umkehren müssen.

Der Leiter des Kinderheimes

Dr. Julius Karunakaran ist einem pensionierten Hochschullehrer für „Science and Economy“. Er nahm mich in seinem Auto mit, das eine wohltuende Klimaanlage besaß. Jedoch fehlte auch in seinem Wagen der Verschluss für den Anschnallgurt, ebenso wie in dem Auto, das mich bei meiner Ankunft vom „Chennai Airport“ abgeholt hatte. Offenbar werden diese Verschlüsse herausgeschnitten, wenn der Besitzer des Autos einmal vergessen haben sollte, beim Verlassen abzuschließen. Julius wusste offenbar nicht, dass auch er einem Opfer eines „Gurtjägers“ geworden war, denn er suchte den Verschluß, nachdem ich ihn nicht gefunden hatte. Ganz verwundert musste er feststellen, dass die Sitzfläche aufgeschnitten und der Verschluss entfernt war. Hier scheinen die Armen jene zu bestehlen, welche sie für Reiche halten, ohne dabei Gewissensbisse zu bekommen. Fast überall lauert ein tamilischer Robin Hood. Zunächst lud Julius mich zum Essen ein. Dann fuhren wir über die Grenze, welche Tamil Nadu von Andhra Pradesh trennt, zur Wohnung des Ehepaares, welches die Kinder betreut. Es wohnt etwa 20 km vom Heim entfernt. Wir nahmen die Frau mit und erreichten am frühen Nachmittag das „Home of Hope“.

Hier sehen wir das Atrium des Kinderheimes. Wenn abends das Heim abgeschlossen wird, dann können die Jungs sich hier noch bewegen.

In diesem Raum werden die Jungs unterrichtet.

Zum Abschied ließ der Leiter des Heimes die Jungs zu einem Gruppenphoto antreten.

Nagalapuram liegt in Andrah Pradesh nahe der Stadt Puttur. Julius hatte per Handy dafür gesorgt, dass alle 52 Jungs im Unterrichtsraum versammelt waren. Ansonsten wären wohl die meisten von ihnen um diese Zeit außer Hauses gewesen. Der Empfang war herzlich. Auf English bestellte ich den Knaben Grüße von Dr. Andrea Wiedner aus der Baptistengemeinde Herford, das im fernen Deutschland liege. Über Dr. Andrea Wiedner hatte ich nämlich von ihnen erfahren. Julius übersetzte meine Grüße in Tamil, vielleicht auch in Telugu. Näheres weiß ich nicht, weil ich beide Sprachen nicht verstehe.

Dann durfte ich die beiden Gedenktafeln fotografieren, welche im Eingangsbereich angebracht sind. Die eine von ihnen zeugt vom Begründer des Wohnheimes, die andere vom ersten Leiter desselben. Danach sah ich mir den schönen Innenhof des Hauses an, das sogenannte Atrium. Es folgten Schlafzimmer, Küche, Vorratskammer, Duschen mit Toiletten, Isolationszimmer für Jungs mit ansteckender Krankheit sowie ein kleines Zimmer zum Übernachten für eine Aufsichtsperson.

Dann musste ich leider wieder zurück nach Kanchipuram in Tamil Nadu. Auf der Rückfahrt lachte auch Julius aus vollem Halse. Es war ein gelungener Tag – trotz mancher vorausgehenden Schwierigkeiten. So schön das Heim auch ist, in Deutschland würde es wahrscheinlich beanstandet werden und zwar wegen nicht garantierter permanenter Aufsicht. Julius benötigt dringend ein kleines Häuschen auf dem großen „Heim Areal“ für das betreuende Ehepaar. „In Deutschland würde solch ein Wohnhaus 250 000 Euro kosten. Hier bekommt man es für 5000 Euro“, so etwa äußerte Julius sich. Dass ein solches Haus in Indien so preiswert zu bauen ist, das liegt an dem günstigen Kurs, den der Euro gegenüber der indischen Rupie hat sowie an den niedrigen Materialkosten und Stundenlöhnen, die wesentlich geringer sind als bei uns. Ich hoffe, es werden sich in nächster Zeit ausreichend viele Spender für dieses lohnende Objekt finden.

Die Rückreise mit dem Bus

Julius fuhr mich über die Grenze nach Tamil Nadu. In einer Grenzstadt suchte er einen Busbahnhof auf, dort setzte er mich in den oben abgebildeten Bus und wies den Schaffner an, mich in der Nähe des MM.Hotels von Kanchipuram „auszusetzen“. Schon bald ging die Sonne unter.

Als es dunkel wurde, verspürte ich einen Harndrang, der immer stärker wurde. Ein Loch im Boden, wie es noch im morgendlichen Zug zu finden gewesen war, gab es hier natürlich nicht. Hier waren ja auch Männer und Frauen nicht getrennt. Die einzige Möglichkeit war, kurz auszusteigen, um in der Dunkelheit den Straßengraben zu nutzen.Das aber war zu riskant; denn weder der Schaffner noch ein anderer Mann verstanden die englische Sprache. Immer wenn ich versuchte, an einer Haltestelle dem Schaffner klarzumachen, was ich wollte, stellte dieser sich mir in den Weg. Da ich mich schämte, deutlicher zu werden, gab ich schließlich auf. Als es nicht mehr ging, stand ich mutig auf und nutze mein Hosenbein. Da wegen offener Fenster und Türen ständig Durchzug herrschte, merkte niemand etwas. Die Hose habe ich natürlich später gewaschen. Endlich waren wir angekommen. Etwa 100m vom Hotel entfernt, bat der Schaffner mich sehr freundlich auszusteigen. Nach einem kurzen Fußweg war ich wieder im Hotel unter der Dusche!

Ein Heilungswunder

Als am nächsten Tag der Pastor Benedict mich besuchte, schmerzte mir allerdings die linke Niere sehr, wahrscheinlich wegen des Urinrückstaus am Vortage. Ich sagte es Benedict. Dieser forderte mich auf, meine beiden Hände auf seine Bibel zu legen. Dann betete er für mich. Daraufhin legte er die Bibel auf meine linke Niere und betete ein zweites Mal. Kurz nach dem „Amen“ verließ er mein Hotelzimmer. Sofort hörten die Nierenschmerzen auf und kamen auch nicht wieder zurück.

Möchte folgen Deinem Rat

Möchte folgen Deinem Rat!
Was Menschen uns empfehlen,
das ist nicht immer eine Tat,
welche hilft den Seelen.

Laß mich alles, was ich höre,
messen Herr an Deinem Wort.
Und jenes, was will stören,
trage Deine Liebe fort.

Ohne Furcht sei meine Seele
vor der Feinde Übermacht,
damit es mir an keinem fehle,
was Dein Sohn hat uns gebracht.

04.06.13 Kk

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